Das Zentrum gegen Vertreibungen, das durch den Bund der Vertriebenen als Stiftung errichtet wurde, droht noch vor seiner Realisierung zu einer ernsthaften Gefährdung für die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen zu werden. Und das zu einem Zeitpunkt, da durch den Beitritt Polens zur Europäischen Union ein ganz neues Kapitel im Verhältnis der beiden Völker beginnen könnte. Doch nicht die Chancen, die aus der neuen Gemeinsamkeit erwachsen, bestimmen gegenwärtig die Debatte in den beiden Ländern, sondern jenes unglückselige Projekt eines Vertriebenen-Zentrums in Berlin.
Mit dem Zentrum, so die Absicht der Stifter, solle eine Dokumentations- und Begegnungsstätte errichtet werden, die ausgehend vom national erfahrbaren Schicksal der deutschen Vertriebenen den Blick auch auf das Vertreibungsschicksal anderer Völker lenkt. Man wolle einen Überblick über die Integration von 15 Millionen Vertriebenen in Deutschland geben, erklärte die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, und Geschichte und Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen aufarbeiten. Der Vertreibung anderer Völker solle Raum gegeben werden. Persönlichkeiten aus den Nachbarländern seien zwar als Ratgeber willkommen. Aber, so Frau Steinbach in einem Brief an Adam Michnik, der zusammen mit Adam Krzeminski Breslau als geeigneten Ort für ein solches Zentrum vorgeschlagen hatte, Deutschland dürfe sich nicht eines dramatischen Teils seiner Geschichte "durch Abschiebung nach Polen entledigen".
Es sind vor allem solche Töne, die die Polen zutiefst beunruhigen. Nicht zufällig steht die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen im Mittelpunkt der polnischen Kritik. Es ist tatsächlich wenig glaubhaft, wenn ausgerechnet Frau Steinbach vorgibt, sich für Belange von Vertriebenen, die nicht deutscher Herkunft sind, einsetzen zu wollen. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie fanatisch sie Anfang der neunziger Jahre während der Asylrechtsdebatte für die Vertreibung von Flüchtlingen und Vertriebenen eingetreten ist. Diese "Menschenströme in unser Land" müßten gebremst werden; durch diese Ausländer werde der Landfrieden zerrüttet. "Die Lunte brennt schon!", rief Frau Steinbach damals theatralisch im Bundestag, "Die Lunte brennt!"