Auswahl aus den DEFA Dokumentarfilmen von Konrad Weiß 1967 bis 1988




In Memoriam Michael Lösche
1947 - 2022

DEFA Filmfoto Michael Lösche
Michael Lösche 1977 bei Dreharbeiten zum Film Wir bekommen ein Baby






Video Janusz Korczak

Ich bin klein, aber wichtig

Ein Filmessay über Janusz Korczak

Realisation: Konrad Weiß
Buch: Walther Petri und Konrad Weiß
Kamera: Gunter Becher, Michael Lösche
Schnitt: Ingeborg Marszalek
Produktion: Christina Eggert, Tadeusz Rejnowicz
DEFA Studio für Dokumentarfilme
Berlin 1988
Im Auftrag des Fernsehens der DDR
44 min, 35 mm, Farbe und Schwarzweiß
Erstsendung: 31. August 1989, Fernsehen der DDR

Dies ist ein Film über Janusz Korczak, den Juden und Polen, den Arzt und Erzieher und Schriftsteller. Ein Film über einen wunderbaren Menschen, der am Ende sein Lebenswerk als gescheitert ansehen mußte, und der dennoch den Kindern treu blieb bis in den Tod. - Es ist keine Film-Biographie, sondern ein essayistischer Film, der auf die Suche geht nach einer verlorenen Zeit, nach den Spuren eines verlöschenden Lebens. Es ist der Versuch einer Annäherung, und es ist ein sehr persönlicher Film. Er versucht einen Dialog mit Korczaks Erleben und Fühlen, mit Korczaks Gedanken und Worten über die Zeit hinweg und immer im schrecklichen Wissen um die Schuld der Deutschen.
Dialog, Spurensuche und Annäherung bestimmen auch die Mittel, mit denen der Film arbeitet. Da sind vor allem die wenigen kostbaren Dokumente, Fotografien von Janusz Korczak und seinen Waisenhauskindern, die Bücher und Briefe. Da sind die Erinnerungen der Menschen, die ihn gekannt haben, die Erinnerungen der Freunde, Mitarbeiter und Schüler. Da sind die Gesichter von Kindern, Gesichter von gestern und Gesichter von heute. Da sind die Orte, die guten Orte und die schlimmen. Manche sind bis zur Unkenntlichkeit verändert, kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Manchmal erinnert nur der Name noch an die vernichtete Welt, in der Janusz Korczak zu Hause war.
Und da sind vor allem seine Gedanken und Worte, all das, was er über Kinder und für Kinder aufgeschrieben hat. - So versucht der Film, Fremdes vertraut und Vergangenes nah zu machen. Es gilt, Janusz Korczak und seine Kinder und ihre untergegangen Welt für immer vor dem Vergessen zu bewahren. Denn das Geheimnis der Versöhnung ist die Erinnerung.



Der erste Film beginnt mit einem Klischee: Da sitzt ein Junge im Rollstuhl vor einer Treppe, die das Bild wie eine Mauer ausfüllt, Menschen hasten vorüber. Schon die nächsten Aufnahmen, Bilder von einer Disko in der Körperbehinderten-Schule in Birkenwerder, gehen gegen das Klischee an. Der Junge im Rollstuhl sagt: "Ich möchte nicht bemitleidet werden. Ich brauche das nicht, das bißchen Mitleid."
Der Film versucht diese Haltung zu respektieren und den Alltag der jungen Leute ganz unsentimental und möglichst genau darzustellen: Die Schule, das Internat, das Zuhause, die Freizeit. Auch die Distanz zu Nichtbehinderten und die vielfältigen Hindernisse, die den Alltag so schwer machen, werden gezeigt.
Der erste Film endet mit der Jugendweihe Ivos. Der zweite, sieben Jahre später, beginnt mit der Hochzeit in der Kirche. Auch Sabine, Ivos Frau, ist Rollstuhlfahrerin. Als der Film gedreht wurde, ist sie arbeitslos. Hinter beiden liegt ein abgebrochenes Studium. Vor allem aber geht es in diesem zweiten Film um die Befindlichkeit der beiden, um ihre Anschauungen und Haltungen, ihre Konflikte mit einer Umwelt, die oft genug unsensibel, gedankenlos oder gar feindselig ist.




In einer Montage wird Alltägliches aus dem Leben einer Großstadt - Berlin - dargestellt. Dieses Alltägliche wird von Beginn an durch die Musik gebrochen: Der erste Satz aus der "Sinfonia come un grande lamento" von Udo Zimmermann setzt mit Paukenschlägen ein. Porträts und Beobachtungen werden optisch immer mehr aufgelöst bis hin zu bloßen Bildfragmenten. Auch die Farbe verändert sich über Grautöne bis hin zur weißen Leinwand.
Dem dramatischen Höhepunkt der Musik folgt ein Fotodokument aus Hiroshima: Eingebrannt in den Stein der Schatten eines Menschen, der, als ihn die Wärmestrahlung des Feuerballs traf, auf den Stufen zum Eingang der Sumitomo-Bank gesessen haben muß, 250 Meter vom Hypozentrum der Kernexplosion entfernt. Aus diesem Bilddokument heraus werden Grafiken von Martin Hoffmann aus der Serie "Schatten" eingeblendet - ähnliche Motive wie die Realeinstellungen vom Filmbeginn.



Der Roland von Potzlow 1985 Foto (c) by Konrad Weiss 1985-2020
Der Roland von Potzlow 1985
Foto: © Konrad Weiß


Rolande.
Geschichte und Geschichten

Ein Dokumentarfilm
über die Geschichte der Rolandsäulen

Buch und Realisation: Konrad Weiß
Kamera: Michael Lösche
Schnitt: Angelika Arnold
Redaktion: Jutta Diemert
Produktion: Rainer Baumert
DEFA Studio für Dokumentarfilme
Berlin 1987
27 min, 35 mm, Farbe
Erstsendung: 24. April 1988
Fernsehen der DDR

Steinerne Riesen, die Rolandsäulen, die in manchen deutschen Städten zu finden sind, werden in diesem Film nach ihrer Herkunft und Geschichte befragt.
Im Film heißt es: "Roland schweigt nicht. Auch Steine können reden. Und Bilder und Bücher und staubige Akten können Geschichten erzählen. Menschen erinnern sich. Und aus Erinnerungen und Geschichten wird Geschichte: Geschichte ist das Gedächtnis der Menschheit, ist lückenhaft immer und voller Rätsel...";
Der Film beginnt mit einem Besuch beim größten und schönsten Roland, dem Roland von Bremen, geht dann der Rolandsage nach und dem mittelhochdeutschen Rolandslied. Ausführlich werden die Geschichten der Rolande u.a. von Belgern, Buch, Brandenburg, Calbe, Halberstadt, Questenberg und Stendal erzählt.



Filmplakat erste Liebe

erste Liebe

Ein Filmtagebuch

Regie: Konrad Weiß
Buch: Steffi Schröder und Konrad Weiß
Kamera: Michael Lösche
Musik: Thomas Natschinski
Liedtexte: Konrad Weiß
Interpreten: Marion Sprawe und Jessica
Ton: Jürgen Abel, Ulrich Fengler
Dramaturgie: Ev Wittmann
Produktion: Rainer Baumert
DEFA Studio für Dokumentarfilme
Berlin 1985
65 min, 35 mm, Farbe

Das Filmteam hat mit seiner Kamera über ein Jahr lang eine Entdeckungsreise unternommen, eine Entdeckungsreise zu Jungen und Mädchen einer achten Klasse. Die Filmemacher wollten wissen: Wie ist das mit der Liebe, wenn man zwölf, dreizehn, vierzehn ist? Wovon träumt man , was wünscht man sich, was traut man sich und was nicht? Wie merkt man überhaupt, daß man jemanden mag? Und wie kann man das dem anderen zeigen? Wie ist es, wenn man sich zum ersten Mal verliebt? Was sagen die Eltern dazu, was die Lehrer, was denken die in der Klasse darüber?
Im Mittelpunkt des Filmtagebuchs stehen Claudia und Thomas, sie dreizehn, er siebzehn Jahre alt. Sie erleben das große Glück der ersten Liebe. Ohne Scheu lassen sie ein wenig davon die Zuschauer miterleben.



Der fünfjährige René verlebt seine Kindheit auf einem einsam gelegenen alten Bauernhof in Mecklenburg. Wie René und seine Schwester, seine Eltern und Großeltern auf dem Hof leben und arbeiten, welche Beziehungen sie zu den Tieren, zur Natur und zum Dorf haben, und wie der Vater in der Genossenschaft zurechtkommt, das erzählt dieser Film. Die impressiven Bilder kommentiert René im Dialog mit den Filmemachern.



Tür in Güstrow Foto (c) by Konrad Weiss 2014
Foto: © Konrad Weiß


Die Tür

Ein Dokumentarfilm
über die Restaurierung einer Barocktür in Güstrow

Buch und Realisation: Konrad Weiß
Kamera: Heiner Sylvester
Ton: Kurt Hoy, Hansjürgen Mittag
Schnitt: Eleonore Burke
Produktion: Günter Zaleike
DEFA Studio für Dokumentarfilme, Berlin, 1978
26 min, 35 mm, Schwarzweiß

Sechs Güstrower Oberschüler haben im Sommer 1978 unter der fachkundigen Anleitung des Restaurators Wolfgang Heppelmann eine 200 Jahre alte Barocktür restauriert, die wie so vieles in der vernachlässigten Altstadt zu verfallen drohte. Der Film folgt den mannigfachen Arbeitsgängen, die für den Erhalt der Tür notwendig waren.
Eigentlich aber ist DIE TÜR ein Symbol dessen, was gemeinhin als das historische Erbe umschrieben wird; ihre Restauration ist eine Parabel für den verantwortlichen Umgang mit dem aus der Vergangenheit Ererbten. Dem Zuschauer wird Wirklichkeitsmaterial angeboten und Freiraum zum Spiel mit Formen und Gedanken gelassen. Vielfältige Assoziationen sind möglich, das Gesehene kann und soll mit der eigenen Erfahrung verknüpft werden. - Der Film war in der DDR zeitweilig verboten.




Maxim Gorki schildert in seiner Erzählung den Beginn eines neuen Tages: "Das Herrlichste in der Welt ist, einen neuen Tag werden zu sehen! Am Himmel ist der erste Strahl der Sonne aufgeflammt, die nächtliche Dunkelheit zieht sich langsam in die Klüfte der Berge und Gesteinsfalten zurück, versteckt sich im dichten Laub der Bäume und unter dem Spitzenschleier des taubenetzten Grases. Und die Gipfel lächeln freundlich, als sagten sie zu den weichen Schatten der Nacht: Habt keine Furcht, es ist ja die Sonne..."
Die Bilder zu diesem Film wurden im abgelegenen Wolgadorf Krasnowidowo aufgenommen, wohin sich Maxim Gorki im Jahre 1888 zurückgezogen hatte. Ein Dorf, in dem die Menschen auch heute nicht sehr viel anders leben als damals. In einer weiteren Ebene des Filmes werden Fotografien und Filmdokumente zu Zitaten aus dem an Lebensweisheit reichen Briefwechsel Maxim Gorkis mit Kindern montiert.



Tagebuchheft Dawid Rubnowicz


Dawids Tagebuch

Ein Dokumentarfilm nach dem
Tagebuch des Dawid Rubinowicz

Regie: Konrad Weiß
Buch: Walther Petri und Konrad Weiß
Kamera: Michael Lösche
Ton: Stefan Edler, Henner Golz
Schnitt: Rita Blach
Redaktion: Ev Wittmann
Produktion: Günter Zaleike, Tadeusz Rejnowicz
DEFA Studio für Dokumentarfilme
Berlin 1980
25 min, 35 mm, Schwarzweiß und Farbe

1957 fand eine Frau in dem kleinen polnischen Ort Bodzentyn bei einem Abfallhaufen ein paar Schulhefte: das Tagebuch des Dawid Rubinowicz. Dawid war zwölf Jahre alt, als er 1940, mitten im Krieg, seine Aufzeichnungen begann. Weil er Jude war, durfte er nicht mehr zur Schule gehen. Aber mutig schrieb er auf, was in dieser schlimmen Zeit mit ihm und mit den anderen Juden geschah. Das war sein Widerstand gegen die Deutschen, so kämpfte er gegen die Angst, so bewahrte er seine Menschenwürde inmitten von Schrecken und Tod. Im Juni 1942 brechen Dawids Aufzeichnungen ab. Wenig später wurde er mit seinen Eltern und Geschwistern im deutschen Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Dieser Dokumentarfilm geht den Spuren des jüdischen Kindes nach und folgt dabei seinen Tagebuch-Eintragungen. Beeindruckend ist die Sorgfalt und Schlichtheit, mit der Dawid über sein Erleben und seine Gefühle in dieser schrecklichen Zeit der deutschen Okkupation Polens schreibt. Diese Aufzeichnungen, die die Wirklichkeit selbst diktiert hat, haben hohen dokumentarischen Wert. Sie werden im Film behutsam durch Fotografien, Filmdokumente und heutige Aufnahmen von der Landschaft, in der Dawid gelebt hat, ergänzt.

Das Tagebuch des Dawid Rubinowicz ist mehrfach in deutscher Übersetzung erschienen, zuletzt herausgegeben von Walther Petri mit Fotos aus dem Film "Dawids Tagebuch", 1985 im Kinderbuchverlag Berlin, 1988 und 2006 als Gulliver-Taschenbuch bei Beltz & Gelberg in Weinheim.
Cover Dawid Kinderbuchverlag
Cover Dawid Ausgabe 1988
Cover Dawid Ausgabe 2006



Der Film porträtiert eine alleinstehende Frau, eine Arbeiterin aus dem Berliner Glühlampenwerk. Bilder, die aus der Arbeitswelt der jungen Frau erzählen, sind konfrontiert mit Szenen aus dem Familienleben. Die Arbeiterin hat drei Kinder, die sie allein erzieht. Sie hat immer zu tun und kaum mal eine freie Minute für sich. Ich renne immer, sagt sie. Und dennoch: für ihre Kinder nimmt sie sich immer Zeit. - Ein Film gegen die Legende von der Rundumversorgung der Frauen in der DDR.


Gantulag Foto (c) by Konrad Weiss 1977
Foto: © Konrad Weiß


Ein gelbes Pferd, schnell wie der Wind

Ein Dokumentarfilm
aus der Reihe "Der besondere Tag"

Buch und Realisation: Konrad Weiß
Kamera: Michael Lösche
Ton: Rolf Roelke, Z. Dolshinsuren
Schnitt: Karin Klöpsch
Dramaturgie: Ev Wittmann
Produktion: Bathuu Dashguntew, Karlheinz Haarnagell
DEFA Studio für Dokumentarfilme
Berlin, 1977
14 min, 35 mm, Farbe.
Erstsendung: 8. Januar 1978, Fernsehen der DDR

Im Osten der mongolischen Steppe, in Salchit, dem Tal des Windes, stehen die Wohnwagen und Jurten einer geologischen Expedition, an der deutsche und mongolische Fachleute beteiligt sind. Einige der Bergleute und Geologen wohnen dort mit ihren Familien; mitten in der Steppe gibt es einen kleinen deutschen Kindergarten.
Aber lange Zeit spielten die deutschen Kinder nicht mit ihren mongolischen Altersgefährten. Zwischen Wohnwagen und Jurten schien eine unsichtbare Grenze zu verlaufen. Sprachschwierigkeiten und von den Erwachsenen übernommene Vorurteile schienen die Ursachen zu sein.
Erst der Wunsch der sechsjährigen Claudia, auch so wild durch die Steppe reiten zu können wie die mongolischen Kinder, war stärker als die Scheu voreinander. Der elfjährige Gantulag gab ihr manchmal sein gelbes Pferd Schar-mor zum Reiten. Der Film erzählt vom Leben der mongolischen und deutschen Kinder in der Steppe und zeigt, wie Claudia und Gantulag ihre Fremdheit überwunden haben, und wie sich auch die anderen Kinder allmählich besser kennengelernt haben.


Eine Gruppe Antifaschisten steckte 1942 die Hetzausstellung der Nationalsozialisten "Das Sowjetparadies" in Brand. Leiter der Widerstandsgruppe, die sich überwiegend aus jungen jüdischen Kommunisten zusammensetzte, war Herbert Baum, der als Zwangsarbeiter im Siemenskonzern tätig war. 21 Mitglieder der Gruppe wurden zum Tode verurteilt, Baum während der Voruntersuchung ermordet. Mitglieder der jüdischen Widerstandsgruppe berichten über ihre Aktion und erinnern sich der ermordeten Freunde und Kampfgefährten.


© für alle Texte und Filmtitel: Konrad Weiß 1967-2024


Leider sind die meisten meiner Filme, die zwischen 1969 und 1988 im DEFA Studio für Dokumentarfilme in Berlin entstanden sind, heute nur schwer zugänglich. Die Rechte an den Filmen werden durch die DEFA-Stiftung wahrgenommen.

Die Kinofilme sind im Verleih der Progress Filmverleih GmbH , einem Unternehmen der Icestorm Group. Die Fernsehfilme sind entweder im Bundesfilmarchiv archiviert oder bei den Vertriebsfirmen von ARD und ZDF. Für die private Nutzung können einige der Filme über den Mitschnittservice des RBB bezogen werden.

Manche Filme werden auch als DVD vertrieben oder finden sich auch in öffentlichen Bibliotheken, in Bildstellen oder an Universitäten, zum Beispiel in der Mediothek der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg.